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Bei Spätzünder Saturn ist jetzt auch online geil

saturn.de Seite saturn.de Seite
Startseite von saturn.de: Geiz ist jetzt auch online geil
Quelle: Welt Online
Mit den 2500 am häufigsten verkauften Artikeln startet saturn.de. Der Elektronikhändler folgt der Konkurrenz viel zu spät ins Online-Geschäft.

Worum geht es

Sie nehmen den Mund mal wieder ziemlich voll bei Saturn. Aber das kennt man ja bei den Erfindern von Sprüchen wie „Geiz ist geil“. Jetzt endlich hat die Metro-Tochter auch entdeckt, dass der Onlinehandel ziemlich geil sein kann.

Dabei verkaufen Konkurrenten wie Amazon und viele andere ihren Endkunden schon seit Jahren erfolgreich Fernseher, Telefone, Spielkonsolen oder Computer per Internet. Bei Saturn und der Schwestermarke Media-Markt dagegen tat sich bisher im Netz mit Ausnahme einiger Download-Möglichkeiten fast gar nichts. Die Homepage war nicht mehr als ein Katalog, aus dem man allerdings nichts bestellen konnte.

Jetzt wollen die beiden Marken den Onlinemarkt von hinten aufrollen und gleich bis zum Jahr 2016 auf fünf Milliarden Netz-Umsatz in Europa kommen. Und damit auch im Internetgeschäft Marktführer werden – im stationären Geschäft sind sie das schon mit einem Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro.

„Wir bieten Dinge, die sonst keiner bietet. Und ich sehe auch niemanden, der uns das nachmachen kann“, sagt Pieter August Haas, Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn Holding, wohl nicht zuletzt mit Blick auf Amazon. Heute startet nach vielen Verzögerungen endlich saturn.de mit zunächst 2500 Artikeln sein Online-Angebot. Das sind die Produkte, die in den Läden am häufigsten verkauft werden und die rund 70 Prozent des Umsatzes bringen. Vier Monate später soll die Marke media-markt.de online gehen.

Saturn garantiert Einheitspreis

„Onlineshop mit Marktgarantie“ nennt Saturn das, was angeblich sonst niemand bieten kann: Die 144 Märkte in Deutschland und der Onlineshop sollen praktisch ein Geschäft werden: Der Kunde kann sich im Laden ein Gerät anschauen oder vorführen lassen, sofort mitnehmen oder online bestellen. Oder er ordert von zuhause seinen Computer und lässt das Gerät nach Hause oder in einen Paketshop liefern. Das allerdings können andere auch.

Saturn garantiert dazu einen Einheitspreis. Und der orientiert sich am – üblicherweise niedrigeren – Onlinepreis der nicht genau definierten „relevanten Wettbewerber“. Geräte könnten also im Laden billiger werden. Wie bisher dürfen die Geschäftsführer vor Ort die Preise reduzieren, wenn Kunden mit dem günstigeren Angebot eines Konkurrenten im Laden auftauchen. Online bestellte Waren können zudem in jedem der 144 Läden umgetauscht werden. Dort werden auch Reklamationen bearbeitet. Auch das gibt es schon bei anderen Anbietern.

Als einzigartig in Deutschland verkaufen die Saturn-Manager dagegen ihre „Sofortabholung“: Wie etwa bei der Elektronikhandelskette „Best Buy“ in den USA kann der Kunde seine Ware online bestellen und sofort in einer Filiale seiner Wahl abholen – ohne Versandkosten zahlen zu müssen.

„Die meisten Käufer von Unterhaltungselektronik wollen ihr Gerät sofort haben und nicht ein oder zwei Tage auf das Paket warten. Unser Ziel ist es, dass der Kunde die Ware nach 30 Minuten abholen kann“, meint Projektleiter Martin Wild, der offiziell den Titel „Vice President Multichannel“ trägt. Mit Multichannel – oder Mehrkanal-Vertrieb – bezeichnen Händler das weltweit gerade sehr beliebte Verschmelzen von stationären Geschäftes und Onlineshops.

Tausende Kunden haben den Web-Auftritt getestet

Damit diese Kombination aus dem besten beider Handelswelten funktioniert, muss der Kunde vorher online prüfen, ob das gewünschte Produkt in der Filiale der Wahl auch vorrätig ist. Wenn es dort am Lager liegt, zahlt der Kunde sofort am Rechner und bekommt im Idealfall gleich eine Bestätigungsmail mit der Nachricht, ab wann er seine Ware abholen kann.

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Zwei Wochen lang testeten zuletzt Tausende Saturn- und Media-Markt-Mitarbeiter mit echten Bestellungen, ob dieses Bestellsystem tatsächlich praxistauglich ist. Bereits zwei Jahren zuvor gingen die Auslandsgesellschaften in Österreich und Holland online und sammelten Erfahrungen mit dem Vertriebskanal. Die „Welt“ hat jetzt als erster externer Nutzer in Deutschland kurz vor dem heutigen Marktstart ausprobieren können, ob Wild sein ehrgeiziges Liefer-Versprechen wirklich einhält.

Dass dem Hauptkonkurrenten Amazon dieses neue Alleinstellungsmerkmal des Spätstarters nicht in den Kram passen wird, wissen sie in Ingolstadt. Und die Angreifer geben sich gespannt, wie die Ikone des Onlinehandels wohl kontern wird. „Kopieren können sie uns jedenfalls nicht. Amazon hat ja keine Läden“, heißt es bei Saturn. Bisher müssen die Kunden von Amazon mindestens bis zum nächsten Tag auf ihre Lieferung warten.

Das Multichannel-System ist schwer im Trend im Einzelhandel, weil es für die Kundschaft so bequem ist und der Händler den Konsumenten „dort abholt, wo er sich gerade befindet“, wie es gern im Marketing-Deutsch heißt. Viele Firmen der Otto-Gruppe machen es schon, Ikea, Tchibo, Deichmann, die Buchhandelskette Thalia und viele andere.

Wohl nicht ganz zufällig gaben wenige Stunden vor dem Marktstart von saturn.de auch der Konkurrent Electronic Partner sowie Metros Warenhauskette Kaufhof bekannt, dass sie jetzt ihre Ladentheke vor Ort konsequent virtuell verlängern wollen und auf den Multichannel-Zug aufspringen.

Diese Mischmaschstrategie der Ketten scheint sich trotz enormer logistischer Herausforderungen und Kosten zu rechnen: Händler, die dem Kunden sowohl ein Ladengeschäft als auch einen Onlinestore bieten können und beide auch noch intelligent verbinden, konnten allein im vergangenen Jahr ihren Onlineumsatz um 14,7 Prozent steigern, hat der Bundesverband des Deutschen Versandhandels festgestellt.

Umsatz könnte sich verdoppeln

Das Institut für Handelsforschung IFH in Köln erwartet, dass Mehrkanal-Anbieter in diesem Jahr ihren Umsatz doppelt so stark steigern werden wie reine Internethändler, die nicht auch Ladengeschäfte betreiben. „Die Königsdisziplin ist es, Kunden über verschiedene Kanäle hinweg zu begleiten, sodass trotz des Kanalwechsels während der Kaufentscheidung keine Anbieterwechsel vollzogen werden“, sagt IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz.

Der Kunde soll also auf jeden Fall bei seinem Händler bleiben – egal, ob ihm nun gerade nach einer Bestellung per Laptop vom Sofa, vom iPhone in der Bahn oder nach einem klassischen Ladenbesuch ist.

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„Wir sehen Online als Riesenchance“ , sagt Media-Saturn-Manager Haas. Er sieht das Internet-Geschäft auch als Notwendigkeit: „Media-Saturn würde ohne Online die nächsten zehn Jahre nicht überleben.“ 20 bis 30 Prozent vom Umsatz könne die Internet-Filiale in absehbarer Zeit bringen.

Dass es in seinem Hause vor allem wegen des Online-Strategiestreits zwischen Haupteigentümer Metro und Minderheitsgesellschafter und Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals im Internet nicht recht vorwärts ging, verschweigt der Manager wohlweislich. Metro-Chef Eckhard Cordes stellt Kellerhals als Bremser in der Online-Offensive dar. Kellerhals dagegen wirft Cordes vor, online zu viel auf einmal gewollt zu haben.

Erst Ende vergangenen Jahres – nachdem der damalige Media-Saturn-Chef unsanft ausgewechselt worden war – einigten sich die Gesellschafter auf ein Konzept, das aus zwei Teilen besteht. Das soll auch online die Marktführerschaft bringen: Zum einen bekommen die klassischen Marken Saturn und Media-Markt ab heute ihre Online-Erweiterungen. Service, Beratung, Aufbauservice und dergleichen gibt es gleichermaßen bei Käufen im Laden wie Online. Die Geschäftsführer der 144 Saturn-Märkte werden übrigens direkt an den Online-Umsätzen beteiligt, damit sie den virtuellen Kanal nicht als interne Konkurrenz empfinden.

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