Testbericht
Google Nexus One
Nach der Vorstellung neuer Produkte pflegt Apple-Chef Steve Jobs das Wort an die in Cupertino ansässige Belegschaft zu richten. So geschah es auch nach der Premiere des iPad, wie gut informierte Medien zu berichten wussten. Google wolle das iPhone töten, soll da aus dem Mund des Visionärs mit dem goldenen Händchen für erfolgreiche Produkte zu hören gewesen sein.
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Kann das sein, und ist Google wirklich schon zu einem Angriff auf Apple bereit? Auffällig ist: Bei Android fährt der Internet-Gigant eine zweigleisige Strategie. Da sind zum einen starke Unterstützer wie das breit aufgestellte koreanische Unternehmen Samsung und der innovative Handyspezialist HTC, die das Betriebssystem populär machen.
Zum anderen zeigt Google zumindest in den USA seit Kurzem selbst, wie ein Android-Smartphone aussehen kann. Nicht unwahrscheinlich, dass es das dort für 530 US-Dollar ohne Vertrag angebotene Google Nexus One war, das Steve Jobs einen Schreck eingejagt hat.
Optische Kampfansage?
Wer iPhone und Google Nexus One nebeneinander legt, kann jedenfalls eine ganze Menge Gemeinsamkeiten entdecken. Das fängt bei den handschmeichlerisch gerundeten Kanten an, welche die je knapp 12 Millimeter hohen Gehäuse einfassen.
Selbst die Displays haben annähernd die gleiche Diagonale, wobei die brillante OLED-Anzeige des Nexus One etwas schmaler und dafür höher ist. Beide sind mit beruhigend solidem Glas abgedeckt und dürfen zudem als ausgesprochen verwindungssteif bezeichnet werden.
In puncto Stil bedienen die beiden Smartphones aber unterschiedliche Geschmäcker. Auf der einen Seite steht das iPhone mit seiner glamourösen Eleganz, die auf glänzendes Metall in ebenso glänzender Kunststoff-Einfassung setzt, aber jeden Fingerabdruck betont. Der Rahmen des Google Nexus One dagegen präsentiert sich in anthrazit-silberfarbenem Mattglanz; darin liegen griffige Kunststoffflächen. Das wirkt zurückhaltender, aber mindestens genauso wertig und scheint besonders gut gegen den Zahn der Zeit zu schützen.
Ein bloßer iPhone-Clone in geänderter stilistischer Aufmachung würde natürlich nur wenig Aufmerksamkeit erregen - es ist das durchdachte Bedienkonzept, das die Android-Smartphones so attraktiv macht. So kommt auch mit dem Google Nexus One praktisch jeder auf Anhieb klar, was bei Android-Neulingen freudige Verblüffung auslöst.
Hinzu kommt, dass man die Oberfläche ganz den eigenen Wünschen anpassen und mit Programm-Icons, Links zu Bildern, Musikstücken, Kontakten und vielem mehr bestücken kann. Rechts und links neben dem Home-Screen sind zudem je zwei weitere Bildschirmflächen durch Schieben erreichbar; sie lassen sich wie die Hauptfläche ganz nach Gusto mit Elementen versehen.
Zwischen den fünf Bildschirmflächen wechselt man durch Schieben auf dem Touchscreen. Wer nicht weiß, wo auf dem Bildschirm ein gesuchtes Element zu finden ist, kann durch längeres Drücken auf Punkte am unteren Bildschirmrand eine verkleinerte Übersicht aufrufen. Sucht man ein kürzlich genutztes Programm, kann man durch längeres Drücken auf die Menütaste auch eine Art Task-Manager aufrufen, der diese Applikationen anzeigt - solche kurzen Wege erleichtern dem Geübten die Bedienung.
Ebenfalls hilfreich: An sämtliche verfügbaren Programme gelangt man über ein Icon unten in der Mitte jedes der fünf Haupt-Screens. Alle wichtigen Benachrichtigungen, etwa über eingegangene SMS oder entgangene Anrufe, lassen sich wiederum durch Herunterziehen der oberen Home-Screen-Leiste erreichen. So gelangen auch Anfänger ohne Kenntnis spezieller Tricks immer auf schnellstem Weg zur nächsten Aktion.
Äußerst fix gehen auch Updates vonstatten. Das von P3 communications zur Verfügung gestellte Google Nexus One reagierte beispielsweise zunächst nicht auf die vom iPhone gewohnte Geste zum Aufziehen von Fotos oder Webseiten durch Fingerspreizen auf dem Bildschirm. Ein später eingespieltes Upgrade schaltete die Funktion im Nu frei.
So macht das Android-Betriebssystem auf dem Nexus insgesamt einen guten Eindruck: Es ist einfach zu bedienen, lässt sich an individuelle Vorlieben anpassen und macht dabei richtig Spaß. Auch für künftige Funktionen scheint es gut gerüstet zu sein.
Durch und durch Google
Um allerdings in den Genuss dieses revolutionären Bedienkonzepts zu kommen, ist ein Google-Mail-Account mehr oder weniger Pflicht. Zwar lässt sich das Smartphone mittlerweile auch ohne benutzen, doch das funktioniert nur mit Einschränkungen. So lässt sich der Kalender bislang nur mit dem von Google-Mail synchronisieren, und über das Adressbuch kann man keine Geburtstage einpflegen. Solche Schwächen sprechen natürlich gegen einen Firmeneinsatz, auch wenn die Anbindung an einen Exchange-Server inzwischen möglich ist. Auch diese ist aber noch nicht ganz ausgereift und erlaubt bislang beispielsweise kein aufwendiges Regel-Management.
Zu verschmerzen ist da schon eher, dass auch Office-Programme in der Grundausstattung fehlen - schließlich steht ein reich gefüllter Android-Market bereit, in dem sich so manche hilfreiche App findet. Doch auch das hochkarätige Angebot im mobilen Software-Shop ändert nichts daran, dass die Bluetooth-Funktionalität des Google Nexus One fast ausschließlich auf Telefonie- und Audio-Funktionen abgestimmt ist und wichtige Profile wie OBEX oder SIM-Access fehlen. Damit erreicht die Ausstattung trotz der Stärken beim Display nur ein "befriedigend".
Kaum Klagen aus dem Labor
Gleiches gilt für die Ausdauer - fünf Stunden typischer Betriebszeit sind für eifrige Nutzer recht knapp bemessen. Wer nicht ganz so häufig zum Smartphone greift und abends ans Laden denkt, sollte aber gut klarkommen. In den Funkeigenschaften markiert das Google Nexus One in allen Einzelmessungen fast genau den Durchschnitt der Bestenliste, in der Akustik bestätigt es den guten Eindruck aus dem Praxistest nun auch im Messlabor.
Fazit
Damit dürfte Googles Nexus One für so manchen zum Android-Smartphone Nummer eins avancieren. Denn der Konkurrent Motorola Milestone bietet zwar eine echte Tastatur und einiges mehr an Ausdauer und Ausstattung, fällt aber auch größer und schwerer aus. Auch das iPhone liegt bei Ausstattung und Ausdauer vorn. Doch gerade in seiner Paradedisziplin, der Usability, hat Steve Jobs einigen Anlass, das Google Nexus One kritisch zu beobachten.
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