Ein Head up Display (HUD) im Auto ist richtig komfortabel, weil man den Blick für wichtige Informationen nicht mehr auf die Tachoeinheit oder das Navi lenken muss. Geschwindigkeit, Abbiegehinweise oder Überholverbote werden vielmehr direkt in die Windschutzscheibe eingeblendet. Doch so viel Komfort lassen sich die Fahrzeughersteller fürstlich bezahlen 1.000 Euro zusätzlich oder gar noch mehr sind keine Seltenheit für das Premium-Extra. Hinzu kommt, dass sich Head up Displays praktisch nicht nachrüsten lassen: Hat man sein Auto einmal, war es das mit der Anzeige in der Scheibe.
Mehr Sicherheit dank Infos in der Windschutzscheibe
Das aber ändert sich gerade. Der Hersteller von Navi- und GPS-Geräten Garmin bietet neuerdings sein Garmin HUD zur nachträglichen Montage. Der Mini-Beamer zum moderaten Preis von knapp 150 Euro projiziert Infos zur Route, also Abbiegehinweise und Kreuzungsansichten, die zulässige Höchst- und die tatsächliche Geschwindigkeit sowie die voraussichtliche Ankunftszeit direkt vor die Straße.
Mit fast 700 Euro deutlich teurer ist das HUD-System NavGate von Pioneer, welches mit einem an der Sonnenblende befestigten DLP-Projektor arbeitet. Dafür gibt es auch mehr Komfort, beispielsweise eine vierfarbige Anzeige im Gegensatz zu zwei Farben bei Garmin. Allerdings wurde die erste Charge des im Herbst 2013 vorgestellten Geräts „zunächst an einige spezialisierte Einbauer zu Testzwecken und zur Einbringung von Feedback ausgeliefert“, wie Pioneer gegenüber PC-WELT mitteilt. Auch ein Testmuster konnte uns der Hersteller nicht zur Verfügung stellen. Nachschub sollte es erst später geben, wir beschränken unseren Praxistest deshalb auf das Garmin HUD.
©Garmin
Gratis: Smartphone mit Navi-Apps als HUD-Display
Beide Systeme verfügen nicht über eigene Navi-Funktionalitäten, sondern übernehmen diese vom Smartphone. Bei Garmin benötigt man die Navi-App des Tochterunternehmens Navigon (Android, iOS und Windows Phone) oder die von Garmin selbst (nur iOS). Die Apps kosten für Europa je nach Handy-Betriebssystem und Länderumfang zwischen 40 und 80 Euro. Für das Pioneer NavGate ist die gut 100 Euro teure App CoPilot (Android, iOS und Windows Phone) erforderlich, alternativ lässt sich die iOS-App iGo verwenden, die als Europa-Version 65 Euro kostet. Übrigens: Kunden der Deutschen Telekom erhalten die funktional minimal abgespeckte Navi-App „ Navigon Select Telekom Edition “ kostenlos. Diese umfasst die Länder Deutschland, Österreich, die Schweiz und Liechtenstein.
Und noch ein Unterschied zwischen beiden HUD-Varianten: Bei Garmin werden Head up Display und Smartphone per Bluetooth miteinander gekoppelt, damit die Informationen aus der Navi-App auf die Scheibe kommen, Pioneer setzt auf die klassische USB-Verbindung.
Dass es beim Head up Display nicht nur um Komfort und technische Spielerei sondern auch um ein Plus an Sicherheit geht, verdeutlicht folgende Rechnung: Wendet man den Blick bei Tempo 140 – ganz realistisch – nur für eine Sekunde von der Straße auf den Tacho oder das Navi, legt man in dieser Zeit schon fast 40 Meter zurück. Zeit, die auf der Autobahn fehlt, wenn ein vorausfahrendes Auto plötzlich bremst oder in die eigene Fahrspur einschert.
©Pioneer
Garmin HUD zum Nachrüsten im Praxistest
Offiziell vermarktet Garmin sein neues Produkt ausschließlich über die Telekom-Shops beziehungsweise Telekom.de , tatsächlich taucht es aber geringfügig billiger auch bei Ebay und im Amazon Marketplace auf. In der Packung befindet sich neben der eigentlichen HUD-Einheit mit den Maßen 10,8 x 8,8 x 2,8 Zentimeter (etwas größer als eine Zigarettenschachtel) ein 12-Volt-Kabel für den Zigarettenanzünder im Auto, eine 10 x 10 Zentimeter große Reflexionsfolie zum Aufkleben auf die Windschutzscheibe, zusätzlich eine durchsichtige Projektionsscheibe zum Aufstecken sowie das gerade einmal fünf Seiten starke komplette Handbuch. Diese Minianleitung zeigt schon, wie einfach das Gerät zu bedienen ist. In der Praxis reflektiert die Folie etwas besser und ist deshalb die erste Wahl, die Aufsteckscheibe erlaubt dagegen den einfachen Fahrzeugwechsel.
Zunächst steht die Montage auf dem Armaturenbrett an, die im Prinzip dank der großflächigen Adhäsivfläche einfach ist. In der Praxis kann sich die Befestigung aber abhängig von der Form der Fläche über der Tachoeinheit doch etwas schwierig gestalten. Sitzt das Garmin HUD fest, ist der Rest in einer halben Minute erledigt: Kabel in die 12-Volt-Buchse, mit dem Smartphone per Bluetooth koppeln und die Navi-App starten. Der Mini-Beamer übernimmt die Navigationshinweise während der Fahrt zuverlässig, im Test von einem LG Nexus 4 mit aktueller Android-Version Kitkat : – im Prinzip genügt aber Android 2.3. Angezeigt in der Scheibe wird keine Karte wie auf dem Handy-Display, sondern nur die Abbiegehinweis inklusive einfachem Fahrspurassistent. Zusammen mit den Sprachanweisungen, die weiterhin aus dem Smartphone – oder optional über eine zweite Bluetooth-Verbindung aus den Autolautsprechern – kommen, genügt das aber vollkommen. In der Praxis stört höchstens, dass die Richtungspfeile nicht wie bei der Kartendarstellung variabel, sondern nur in fest definierten Winkeln eingeblendet werden. So verwirrt es anfangs, wenn man statt im rechten Winkel „scharf rechts zurück“ abbiegen muss, obwohl der Richtungspfeil einen 90-Grad-Winkel zeigt. Besser löst Garmin das Problem im Übrigen bei Kreisverkehren.
©Garmin
Die Ablesbarkeit der Anzeige ist insgesamt sehr gut, selbst bei direkter Sonneneinstrahlung lassen sich die Hinweise jederzeit gut erkennen. Bei Dunkelheit regelt das Garmin HUD die Helligkeit automatisch herunter, man kann die Leuchtkraft zudem über die Smartphone-App justieren.
Smartphone mit Android-App als Bordcomputer
Als hilfreich erweist sich ferner die Anzeige von tatsächlicher und erlaubter Höchstgeschwindigkeit, wobei letztere leider nicht immer stimmt – weder außerorts noch in Tempo-30-Zonen in der Stadt. Das aber ist nicht dem Projektor, sondern den in der App hinterlegten Straßenprofilen geschuldet. Und hier zeigt Garmin/Navigon genauso Schwächen wie die Konkurrenz. Schließlich gibt es neben dem vorherherrschenden Grün mit Rot noch eine zweite Displayfarbe. Darin werden Radarfallen („Achtung Gefahrstelle“) und Stauinfos angezeigt – genauere Hinweise zur Staulänge, Dauer, Entfernung und Verzögerung der Behinderung fehlen jedoch.
Fazit: Oberklasse zum Discount-Preis
Ein Head up Display gibt es normaler Weise – wenn überhaupt – nur als teure Zusatzausstattung zum Oberklassenpreis. Da kommt das Garmin HUD zum Nachrüsten in jedem Fahrzeug für knapp 150 Euro gerade recht, wobei gegebenenfalls noch die Ausgabe für die erforderliche Navigations-App hinzuzurechnen ist.
Im Praxistest überzeugt der Mini-Beamer zur Montage auf dem Armaturenbrett insbesondere auch durch die gute Ablesbarkeit bei allen Lichtverhältnissen. In den allermeisten Fällen genügen die gegenüber der Kartenansicht reduzierten Informationen in der Scheibe völlig. Das System bringt so ein deutliches Plus in Sachen Sicherheit, weil man den Blick nicht mehr vom Verkehrsgeschehen abwenden muss. Zwei Schwachpunkte dürfen aber nicht verschwiegen werden: Zum einen fehlen genauere Stauinfos, für die man dann doch App auf dem Smartphone bemühen muss. Zum zweiten stört das „Kabelwirrwarr“. Zwar hat Garmin den 12-Volt-Stecker für das HUD mit einer zusätzlichen USB-Buchse ausgestattet, so dass auch das Handy mit Strom versorgt werden kann. Auf längeren Fahrten bedeutet das aber, dass stets zwei Kabel über der Mittelkonsole herumbaumeln.
Da fehlt es also noch etwas am Oberklassen-Feeling genauso wie bei weiterführenden Funktionen wie der automatischen Verkehrszeichenerkennung und Warnungen beim Verlassen der Fahrspur, vor Personen auf der Fahrbahn oder bei zu dichtem Auffahren zum Vordermann. Dennoch ist das Garmin HUD sein Geld wert und stellt eine sicherheitsrelevante Ergänzung zur Navigation mit dem Smartphone dar.